Grüne Forschung für Vietnam

July 15, 2013
©Sächsische Zeitung

Article in SZ (15.07.2013) about our cooperation with partners in Vietnam

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Grüne Forschung für Vietnam
TU-Wissenschaftler wollen die Textilindustrie in Asien umweltfreundlicher machen. Dabei hilft eine langgehegte Freundschaft.

von Annechristin Kleppisch

Tan Minh Nguyen aus Vietnam fühlt sich wohl im Hof des Barkhausen-Baus an der TU Dresden. Eine gesunde, saubere Umwelt will sie auch für ihre Heimat haben.

Mehr als 9000 Kilometer trennen Tan Minh Nguyen von ihrer Heimat. Die zierliche Frau sitzt im Hof des Barkhausen-Baus an der TU Dresden. Vietnam, ihre Heimat, ist fern. Und trotzdem fühlt sich die 39-Jährige wohl, wohl in Deutschland, wohl in Dresden, wohl an der TU. Hier hat sie am Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik ihren Doktor gemacht. Vor knapp zehn Jahren ist das gewesen. Gern erinnert sie sich an die Zeit in Dresden zurück. Und ist immer wiedergekommen, nicht nur wegen der Freundschaften, die sie hier fand. Sondern auch zum Arbeiten.

Und ist hier nicht allein. Derzeit studieren 211 Vietnamesen an der TU Dresden. Das Land steht damit zusammen mit der Ukraine an dritter Stelle, was die Anzahl der Gaststudenten an der TU betrifft. Nur aus China mit 887 und Russland mit 237 Studenten kommen mehr junge Menschen zum Lernen nach Dresden. Die Länder haben lange Austauschbeziehungen zu Dresden, die schon vor der Wende 1989 begannen. So kamen aus Vietnam seit den 50er-Jahren 100000 Menschen für Studium oder Ausbildung in die DDR. "Die TU Dresden hat traditionell seit vielen Jahren enge Beziehungen nach Vietnam. Schon zu DDR-Zeiten studierten hier zahlreiche junge Menschen aus dem Land", sagt Ursula Schaefer, Prorektorin für Bildung und Internationales. Seit 1945 waren es über 1000 Studenten. Zwei noch immer aktive Absolventenvereine gibt es seitdem.

"Inzwischen wächst eine neue junge Generation von Forschern heran, die die bestehenden Kooperationen neu beleben", sagt Prorektorin Schaefer. So wie Tan Minh Nguyen. Sie will die Tradition fortsetzen und weiter ausbauen. Mittlerweile ist sie Regionalbotschafterin für die TU in ihrer Heimat. 366 gibt es davon weltweit, 98 leben in Asien, für Vietnam werben mit 17 Botschaftern mit Abstand die meisten von ihnen. Mehr noch als zum Beispiel für China und für Russland. Wöchentlich bekommt Tan Minh Nguyen als Botschafterin Anfragen. Eltern melden sich und wollen wissen, wie gut das Studium in Dresden für ihre Kinder ist. Firmen kommen und suchen nach Kontakten zu Wissenschaftlern. Studenten und Forscher wollen im jeweils anderen Land zeitweise forschen.

Dass sich das lohnt, weiß Tan Minh Nguyen gut. Seit September 2012 arbeitet sie mit Gianaurelio Cuniberti zusammen. Der TU-Professor für Materialwissenschaften und Nanotechnologie hat die Vietnamesin 2009 kennengelernt. Bei einem Besuch in Dresden klopfte sie an sein Büro. "Ich wollte etwas für mein Land erforschen, aber mit der Wissenschaft aus Dresden", sagt Tan Minh Nguyen. "Die Chemie hat sofort gestimmt", sagt Cuniberti. Er ist angetan von der Zielstrebigkeit der Wissenschaftlerin. Und vom Potenzial, das das gemeinsame Forschungsprojekt mit sich bringt.

Darin arbeiten deutsche und vietnamesische Wissenschaftler an umweltfreundlichen Technologien für die Textilindustrie. Die Branche wächst in Vietnam. Beim Färben der Stoffe entstehen Giftstoffe, die meist ungefiltert mit dem Abwasser entsorgt werden. Die Folge sind giftgrüne oder lilagefärbte Seen in Vietnam. "Ein schrecklicher Anblick", sagt Tan Minh Nguyen. Einer, der auch Touristen abschreckt. Nicht zu vergleichen mit dem klaren Wasser im Teich am Barkhausen-Bau. Das schimmert auch grün und lila, aber nur von den Blättern und Blüten der Bäume am Teich.

Dabei ist die Lösung einfach. Mithilfe der Sonnenenergie und kleinster Teilchen sollen die Giftstoffe in großen Wasserbecken gebunden und abgeschöpft werden. Unter UV-Licht ist das schon jetzt möglich. Nun wird nach Teilchen gesucht, die sich unter Sonnenlicht mit den Giftstoffen verbinden und sich dann so herausfiltern lassen. Das ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch preiswert. "Schließlich gibt es in diesen Breiten genug Sonne und die auch noch umsonst", sagt Cuniberti.

Das Bundesforschungsministerium fördert die Arbeit. 1,7 Millionen Euro gibt es allein für die TU. Dresdner Studenten untersuchen in Vietnam die Wasserproben. Dazu unterstützt die Verwaltung der Stadt Da Nang im Zentrum des Landes das Projekt mit einer Forschungsstation. "Wenn dort alles funktioniert, könnten unsere Erkenntnisse im ganzen Land angewendet werden", sagt der Dresdner Professor.

Dabei denkt er auch über die Landesgrenzen hinweg. Die neuen Erkenntnisse könnten genauso in Europa angewendet werden, obwohl die Sonne hier nicht so intensiv scheint. "Für die Pharmaindustrie ist das trotzdem interessant", sagt er. Auch dort gehe es darum, giftige Stoffe, die bei der Produktion entstehen, aus dem Abwasser zu filtern. Darüber hinaus seien die vietnamesischen Studenten und Wissenschaftler gut für die TU Dresden. "Das sind Top-Leute. Die brauchen wir hier", sagt er, "Exzellenz entsteht auch aus der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus anderen Ländern." Und dazu gehört für ihn die Vernetzung mit Top-Universitäten nicht nur in den USA und England, sondern weltweit.

Das sehen andere TU-Institute genauso. Gerade haben die Wirtschaftswissenschaftler eine Vereinbarung mit der National Economics University in Hanoi geschlossen. Demnach sollen künftig vier Dresdner Studenten pro Jahr in Vietnam lernen. Im November soll ein neues Projekt starten, in dem TU-Wissenschaftler mit zwei vietnamesischen Partnern zur Rückgewinnung von seltenen Erden forschen. Die Dresdner Abfallwirtschaftler helfen in Hanoi, den heiligen Hoan-Kiem-See zu entschlammen.

Tan Minh Nguyen wird noch oft nach Dresden kommen. Mindestens dreimal im Jahr ist sie hier. Nicht nur bei den Kollegen der Mechanischen Verfahrenstechnik im altehrwürdigen Schumann-Bau fühlt sie sich wohl. Auch in der Alten Mensa und der Konditorei am Münchner Platz kommen Erinnerungen auf. "Dresden ist zu meiner zweiten Heimat geworden."

Grüne Forschung für Vietnam

July 15, 2013
©Sächsische Zeitung

Article in SZ (15.07.2013) about our cooperation with partners in Vietnam

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Grüne Forschung für Vietnam
TU-Wissenschaftler wollen die Textilindustrie in Asien umweltfreundlicher machen. Dabei hilft eine langgehegte Freundschaft.

von Annechristin Kleppisch

Tan Minh Nguyen aus Vietnam fühlt sich wohl im Hof des Barkhausen-Baus an der TU Dresden. Eine gesunde, saubere Umwelt will sie auch für ihre Heimat haben.

Mehr als 9000 Kilometer trennen Tan Minh Nguyen von ihrer Heimat. Die zierliche Frau sitzt im Hof des Barkhausen-Baus an der TU Dresden. Vietnam, ihre Heimat, ist fern. Und trotzdem fühlt sich die 39-Jährige wohl, wohl in Deutschland, wohl in Dresden, wohl an der TU. Hier hat sie am Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik ihren Doktor gemacht. Vor knapp zehn Jahren ist das gewesen. Gern erinnert sie sich an die Zeit in Dresden zurück. Und ist immer wiedergekommen, nicht nur wegen der Freundschaften, die sie hier fand. Sondern auch zum Arbeiten.

Und ist hier nicht allein. Derzeit studieren 211 Vietnamesen an der TU Dresden. Das Land steht damit zusammen mit der Ukraine an dritter Stelle, was die Anzahl der Gaststudenten an der TU betrifft. Nur aus China mit 887 und Russland mit 237 Studenten kommen mehr junge Menschen zum Lernen nach Dresden. Die Länder haben lange Austauschbeziehungen zu Dresden, die schon vor der Wende 1989 begannen. So kamen aus Vietnam seit den 50er-Jahren 100000 Menschen für Studium oder Ausbildung in die DDR. "Die TU Dresden hat traditionell seit vielen Jahren enge Beziehungen nach Vietnam. Schon zu DDR-Zeiten studierten hier zahlreiche junge Menschen aus dem Land", sagt Ursula Schaefer, Prorektorin für Bildung und Internationales. Seit 1945 waren es über 1000 Studenten. Zwei noch immer aktive Absolventenvereine gibt es seitdem.

"Inzwischen wächst eine neue junge Generation von Forschern heran, die die bestehenden Kooperationen neu beleben", sagt Prorektorin Schaefer. So wie Tan Minh Nguyen. Sie will die Tradition fortsetzen und weiter ausbauen. Mittlerweile ist sie Regionalbotschafterin für die TU in ihrer Heimat. 366 gibt es davon weltweit, 98 leben in Asien, für Vietnam werben mit 17 Botschaftern mit Abstand die meisten von ihnen. Mehr noch als zum Beispiel für China und für Russland. Wöchentlich bekommt Tan Minh Nguyen als Botschafterin Anfragen. Eltern melden sich und wollen wissen, wie gut das Studium in Dresden für ihre Kinder ist. Firmen kommen und suchen nach Kontakten zu Wissenschaftlern. Studenten und Forscher wollen im jeweils anderen Land zeitweise forschen.

Dass sich das lohnt, weiß Tan Minh Nguyen gut. Seit September 2012 arbeitet sie mit Gianaurelio Cuniberti zusammen. Der TU-Professor für Materialwissenschaften und Nanotechnologie hat die Vietnamesin 2009 kennengelernt. Bei einem Besuch in Dresden klopfte sie an sein Büro. "Ich wollte etwas für mein Land erforschen, aber mit der Wissenschaft aus Dresden", sagt Tan Minh Nguyen. "Die Chemie hat sofort gestimmt", sagt Cuniberti. Er ist angetan von der Zielstrebigkeit der Wissenschaftlerin. Und vom Potenzial, das das gemeinsame Forschungsprojekt mit sich bringt.

Darin arbeiten deutsche und vietnamesische Wissenschaftler an umweltfreundlichen Technologien für die Textilindustrie. Die Branche wächst in Vietnam. Beim Färben der Stoffe entstehen Giftstoffe, die meist ungefiltert mit dem Abwasser entsorgt werden. Die Folge sind giftgrüne oder lilagefärbte Seen in Vietnam. "Ein schrecklicher Anblick", sagt Tan Minh Nguyen. Einer, der auch Touristen abschreckt. Nicht zu vergleichen mit dem klaren Wasser im Teich am Barkhausen-Bau. Das schimmert auch grün und lila, aber nur von den Blättern und Blüten der Bäume am Teich.

Dabei ist die Lösung einfach. Mithilfe der Sonnenenergie und kleinster Teilchen sollen die Giftstoffe in großen Wasserbecken gebunden und abgeschöpft werden. Unter UV-Licht ist das schon jetzt möglich. Nun wird nach Teilchen gesucht, die sich unter Sonnenlicht mit den Giftstoffen verbinden und sich dann so herausfiltern lassen. Das ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch preiswert. "Schließlich gibt es in diesen Breiten genug Sonne und die auch noch umsonst", sagt Cuniberti.

Das Bundesforschungsministerium fördert die Arbeit. 1,7 Millionen Euro gibt es allein für die TU. Dresdner Studenten untersuchen in Vietnam die Wasserproben. Dazu unterstützt die Verwaltung der Stadt Da Nang im Zentrum des Landes das Projekt mit einer Forschungsstation. "Wenn dort alles funktioniert, könnten unsere Erkenntnisse im ganzen Land angewendet werden", sagt der Dresdner Professor.

Dabei denkt er auch über die Landesgrenzen hinweg. Die neuen Erkenntnisse könnten genauso in Europa angewendet werden, obwohl die Sonne hier nicht so intensiv scheint. "Für die Pharmaindustrie ist das trotzdem interessant", sagt er. Auch dort gehe es darum, giftige Stoffe, die bei der Produktion entstehen, aus dem Abwasser zu filtern. Darüber hinaus seien die vietnamesischen Studenten und Wissenschaftler gut für die TU Dresden. "Das sind Top-Leute. Die brauchen wir hier", sagt er, "Exzellenz entsteht auch aus der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus anderen Ländern." Und dazu gehört für ihn die Vernetzung mit Top-Universitäten nicht nur in den USA und England, sondern weltweit.

Das sehen andere TU-Institute genauso. Gerade haben die Wirtschaftswissenschaftler eine Vereinbarung mit der National Economics University in Hanoi geschlossen. Demnach sollen künftig vier Dresdner Studenten pro Jahr in Vietnam lernen. Im November soll ein neues Projekt starten, in dem TU-Wissenschaftler mit zwei vietnamesischen Partnern zur Rückgewinnung von seltenen Erden forschen. Die Dresdner Abfallwirtschaftler helfen in Hanoi, den heiligen Hoan-Kiem-See zu entschlammen.

Tan Minh Nguyen wird noch oft nach Dresden kommen. Mindestens dreimal im Jahr ist sie hier. Nicht nur bei den Kollegen der Mechanischen Verfahrenstechnik im altehrwürdigen Schumann-Bau fühlt sie sich wohl. Auch in der Alten Mensa und der Konditorei am Münchner Platz kommen Erinnerungen auf. "Dresden ist zu meiner zweiten Heimat geworden."